Houston Control: neue Leitzentrale in Alpnachstad

Ohne geht’s nicht. Und ohne es geht nichts: Die Rede ist vom pionierhaften Betriebsleitsystem für die neue Zahnradbahn in Alpnachstad. Bei den Pilatus Bahnen hat es den Namen Fahrdienstleiter-Assistenz-System, im Fachjargon wird es PbS genannt (Position based Signaling). Das weltweite Unikat hilft den Zugführerinnen und Zugführern bei der Lenkung der Triebwagen. Der Entwickler und Projektleiter, Peter Tschan von der Actemium Schweiz AG, verrät das Geheimnis hinter der High-Tech-Massarbeit.

Herr Tschan, die letzten Vorbereitungen laufen für den Start der neuen Zahnradbahn auf den Pilatus. Wie hoch ist Ihr Puls aktuell?
Eine gewisse Anspannung ist da. Wir können jedoch dem Start beruhigt entgegenfiebern. Haben wir doch bislang bereits 2’000 Stunden Tests auf den Fahrzeugen und auf der Anlage durchgeführt.

Sie haben zusammen mit Ihrem LeitTec-Team von Actemium das Betriebsleitsystem für die Zahnradbahn der Pilatus-Bahnen entwickelt. Was ist daran neu?
Alles. Bis zu acht Personen – vor allem Software-Ingenieure – waren unsererseits involviert. Wir erleben hier eine eigentliche Weltpremiere, zu 100 Prozent «swiss made». Die Idee basiert auf dem Prinzip von «PbS», was so viel wie «Position based signaling» bedeutet. Wir haben also eine Zugsicherung für Zahnradbahnen ohne jede Aussensignalisierung entwickelt, was im wahrsten Sinne des Wortes bahnbrechend ist.

Was waren die besonderen Herausforderungen?
Aufgrund der beengten Verhältnisse auf den Fahrzeugen mussten wir etliche Kompromisse eingehen. Oft war fast kein Platz für unsere Installationen, die nun unterhalb des Wagenkastens oder im Fahrzeug selbst dort, wo früher die Hutablagen waren, untergebracht sind. Um jedes Kilo Gewicht wurde gekämpft, denn das historische Trassee muss die neuen Kräfte aushalten.

Wie lange dauerte die Planungsphase, wie lange nun die Implementierung?
Die Planung und Entwicklung inklusive Vorprojekten läuft seit Mitte 2018. Im September 2021 starteten wir dann mit den ersten Tests auf einem neuen Fahrzeug.

Was sind die Kinderkrankheiten – jetzt so kurz vor dem Betriebsbeginn?
Vor allem beim Anhalten und Abfahren treten durch das Hin- und Herwippen der Fahrzeuge unerwartete Zustände auf, die es zu beherrschen gilt. Generell gilt: Unser System berechnet aufgrund von Bewegungsmustern, ob sich die Fahrzeuge auf Berg- und Talfahrt befinden. Dies ist vor allem bei der Doppeltraktion besonders relevant. Wir hatten Situationen, wo eine gegenläufige Fahrtrichtung innerhalb dieser Kompositionen suggeriert wurde.

Zur Person

Peter Tschan ist Projektleiter bei Actemium Schweiz AG LeitTec – dies seit über 25 Jahren. Das Urgestein hat die Division LeitTec im Jahre 2015 bei Actemium eingebracht. Von Hause aus ist er Elektroingenieur HTL. Tschan wohnt in Aarburg. Und wenn er mal nicht Bahnsicherungssysteme entwickelt, dann macht er Blasmusik (sein Instrument ist das Euphonium), geht wandern, joggen oder spielt Tennis.


Das System soll die Zugführerinnen und Zugführer unterstützen und ihnen gewisse Aufgaben abnehmen. Wer ist künftig wichtiger: Mensch oder Technologie?
Der Mensch ist nach wir vor wichtiger. PbS schützt das Fahrzeug zwar vor dem Überfahren von «HALT» zeigenden fiktiven Signalen und vor Übergeschwindigkeiten. Auch unterstützt es das Verhindern von Kollisionen. Der Zugführer ist aber nach wie vor unverzichtbar: Sie oder er weiss, wann der Zug abfahren kann und sieht die Gefahren, die in den Bergen auftreten können. Beispielsweise, wenn eine Kuh das Gleis betritt oder Geröll die Fahrwege behindert. Nichtsdestotrotz erleben wir dank dem neuen System einen Quantensprung. Wir erfüllen damit die neuesten Vorschriften, analog zu einer Flachbahn im Mittelland.

Wie trainieren Sie die Triebwagenführerinnen und -führer? Gibt’s dafür einen Simulator wie bei den Pilot:innen?
In der Tat haben wir einen Simulator. Dieser wird vor allem für die Schulung der Fahrdienstleiter:innen verwendet, die so das Stellen von Fahrstrassen und das Verhalten bei Fehlerfällen üben können. Weil das System selbst schon seit 1,5 Jahren in den Fahrzeugen eingebaut ist, konnten wir sämtliche Lokführerinnen und Lokführer direkt auf den Triebwagen schulen.

Und was würde passieren, wenn ein Blackout einträte… stünden dann alle Triebwagen am Pilatus einfach still?
Dank der verschiedenen diversitären Funktionen des PbS ist immer gewährleistet, dass in einem Fehlerfall die Fahrzeuge koordiniert und sicher ins Tal fahren können. Neben der Positionsberechnung auf dem Fahrzeug prüfen wir stetig die Belegung der Gleise und wissen, wo die Fahrzeuge gerade sind.

Gelangt dieses PbS auch an anderen Ausflugsbergen in der Schweiz zum Einsatz?
Wir sind mit verschieden anderen Zahnradbahnen in Kontakt. Alle warten gespannt, wie sich PbS bei der Erstanwendung bewährt. Wir sind den Pilatus-Bahnen sehr dankbar, dass sie einmal mehr Pionierarbeit leisten und die Entwicklung von innovativen Systemen ermöglichen.

Wenn Sie nochmals von vorne beginnen könnten – was würden Sie heute anders machen?
Eigentlich nicht viel. Bei einigen technischen Kompromissen würden wir wohl stärker auf unserer Position beharren. Aber das sind Details.

Interview mit Peter Tschan, Geschäftsbericht Pilatus-Bahnen AG, 20.5.2020