Tüftelt am Feinschliff: Werner Kramer, Werkstattleiter

Er kennt ihn von oben, von unten, von hinten und von vorne. Denn er umkreist jeden den Pilatus, wenn er von seinem Zuhause in Schachen zum Arbeitsplatz in Alpnach-stad fährt: Werner Kramer, seit über 20 Jahren Werkstattleiter bei den Pilatus-Bahnen. Der erfahrene Mann ist nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen, auch wenn es nur noch 30 Tage geht, bis die neue Zahnradbahn «seinen» Pilatus erklimmt. Ein Interview zwischen Tür und Angel…

Herr Kramer, sorry die Störung. Haben Sie fünf Minuten Zeit?
Klar, wenngleich aktuell momentan jede Minute zählt. Wir sind gerade im Endspurt für die Inbetriebsetzung der neuen Triebwagen für unsere Zahnradbahn.

Und: Läuft alles nach Plan?
Grundsätzlich ja, wenngleich der unerwartete Schneefall in den letzten Wochen uns ein wenig in Verzug gebracht hat. Dies, obwohl wir heuer bereits im März die gesamte Strecke von den relativ geringen Schneemengen befreien konnten. Aber nicht weiter schlimm. Wir haben ja noch genug in der Werkstatt zu tun…

Woran arbeiten Sie momentan?
Es geht sozusagen um Feinmechanisches. Zusammen mit den Ingenieuren von Stadler Rail und den Fachleuten der Calag Carosserie Langenthal AG, die das Chassis der neuen Triebwagen gebaut haben, beheben wir die letzten Kinderkrankheiten, bevor der grosse Auftritt an Auffahrt erfolgt.

Was gilt es denn zu beheben?
Wir feilen noch an der Federung unsere neuen Triebwagen. Bei den Testfahrten auf dem denkmalgeschützten Trassee, das wir nicht verändern durften, kam es zu erheblichen Erschütterungen, und für den Fahrgast waren entsprechende Schütteleffekte spürbar. Daraufhin entwickelte Stadler eine innovative Radfederung. Das Finetuning ist gerade jetzt im Gang. Gleiches gilt für die Motoren, bei denen wir nachträglich Kühlungselemente eingebaut haben, damit diese nicht heiss laufen.

Werner Kramer vor dem neuen Triebwagen Nr. 41
Werner Kramer vor dem neuen Triebwagen Nr. 41

Sie sind selbst ebenfalls Lokführer. Sind Sie auch ins Training der Kolleginnen und Kollegen involviert?
Ja. Jedes Jahr stossen Saisonniers zu uns. Und diese gilt es im Jahr 1 der neuen Zeitrechnung am Pilatus erst recht fit zu machen. Zum Glück habe ich schon viel Übung, konnten wir doch seit zwei Jahren, als wir im Juni 2021 die ersten Triebwagen erhalten hatten, Test- und Passagierfahrten machen.

Was ist anders beim Fahren der neuen Zugpferde?
Vieles. Die augenfälligste Neuerung: Das gute alte Kurbelrad ist verschwunden. Stattdessen bedienen wir die neuen Triebwagen nun über einen Joystick. Ganz viel dreht sich also um Elektronik und komplexes Computer-Knowhow. Dieses tragen wir aktuell zusammen und erstellen die notwendigen Handbücher. Wobei Bücher der falsche Ausdruck ist, denn künftig ist alles auf einem Diagnosedisplay verfügbar. Dieses zeigt uns jederzeit sämtliche sicherheitstechnischen Informationen an – ein Quantensprung in Sachen Sicherheit.

Inwiefern?
Das digitale Hirn der Wagen ist permanent mit dem eigens für unsere Bergstrecke gebauten Betriebsleitsystem in Alpnachstad verbunden. Und dieses erkennt jederzeit, ob beispielsweise der Gleiswender bei der Einfahrt in die Tal- oder Bergstation korrekt gestellt ist. Auch informiert uns das System automatisch, ob ein Signal auf Rot steht. Wenn dem so wäre, würde der Zug sofort zum Stillstand gebracht.

Wird das Fahren also einfacher?
Einerseits schon, denn wir fahren zwar weiterhin auf Sicht, aber das System nimmt uns viele Dinge ab. Andererseits brauchen wir viel mehr Wissen über die ganze Technologie und müssen die Daten in Sekundenschnelle richtig interpretieren können. Und dann sind da ja noch die Fahrgäste, mit denen wir uns über Gott und die Pilatus-Welt austauschen.

Diese schauen Ihnen quasi über die Schulter – ein Vor- oder Nachteil?
Weder noch. Es ist klar, dass wir uns gemäss Vorschriften primär aufs Fahren zu konzentrieren haben. Zugleich gehört der Austausch mit den Passagieren einfach dazu schliesslich wollen wir genau diese persönliche Note am Pilatus pflegen.

Sogar einen eigenen Sitz im Cockpit haben Sie erhalten?
Richtig. Ehrlich gesagt bin ich darüber nicht unglücklich. Denn auf die Dauer war die schmale Holzplanke in unseren bis zu 85 Jahre alten Triebwagen eher hart für den Allerwertesten…

A propos alte Triebwagen – möchten Sie nicht ein Exemplar für den eigenen Garten in Schachen ersteigern?
Nein danke. Das muss dann doch nicht sein, ich bin nicht so der Nostalgiker. Zudem haben wir noch zwei alte Triebwagen in unserer Werkstatt, mit denen wir künftig Sonderfahrten durchführen werden.

Also keine Wehmut?
Nein. Im Gegenteil: Die neuen Triebwagen sind die Krönung meiner Karriere und ich freue mich auf viele schöne neue Erfahrungen mit ihnen.